Ich bin die mit dem Hashtag für Mitgefühl. Alex Hofmann, angehende Psychologin aus Köln.
Mein Alltag beim ÖWF ist eine Korrelation aus Fenstermalfarben,
Schokoladenkeksen und sehr langen Zahlenreihen. Vor allem die
Zahlenreihen dominieren meinen Tagesablauf. Ich lasse sie miteinander in
Balkendiagramme einfließen oder bastele aus Prozentangaben
Persönlichkeitsprofile. Manchmal erleben meine Kollegen, wie ich vor
meinem Laptop sitze und mich über einzelne Werte in einer monströsen
Tabelle laut freue – und verstehen dann nicht so ganz warum eine Zahl
wie 8,92 bedeutet, dass Astronauten Mitgefühl in der Kommunikation
wertschätzen. Denn eigentlich geht es genau darum – komplexe Emotionen
in einfach strukturierten Zahlenwerten auszudrücken – das kann so einige
Erklärungsversuche erleichtern. Aber wie genau geht das? Und vor allem –
warum?
Psychologie im Weltraum ist ziemlich wichtig: Astronauten leiden in Langzeitmissionen unter Isolation, sensorischer Deprivation oder unter kulturellen Differenzen
in ihrer Gruppe. Außerdem ist es wichtig zu schauen, welcher
Charaktertyp überhaupt für eine Reise zum Mars taugt und wie man eine
Gruppe – egal ob Astronauten oder Mission Control – dafür trainiert. Das
herauszufinden, das ist mein Job!
Eine meiner Aufgaben besteht darin ein Teamtraining zu entwickeln, das vor allem Kommunikationsfertigkeiten, aber auch Empathie
für die anderen Menschen im Team schult. Gerade in der Kommunikation
zwischen Mars und Erde findet man diesbezüglich einige
Herausforderungen: Nachrichten von Planet zu Planet werden meistens über
Chat übertragen – und bis eine Botschaft ankommt dauert es rund 10
Minuten. Dabei können viele Missverständnisse entstehen, wenn die
Kommunikation nicht sachlich genug, aber auch nicht freundlich genug
formuliert wird. Mitgefühl ist dabei eine Eigenschaft, die mir besonders
wichtig ist. Wenn Menschen lernen mitfühlend in ihrer Arbeitsgruppe zu
interagieren, sinkt das die Wahrscheinlichkeit für Konflikte und erhöht
die Achtsamkeit in den Teams – das zeigt die Forschung. Gerade für uns
beim ÖWF ist es wichtig, dass wir auch in stressigen Missionsphasen gut
miteinander umgehen.
Darüber hinaus entwickele ich eine Studie, die genau diese Hypothesen, speziell in unseren Teams, überprüft. Welche
Faktoren verbinden Menschen in einer Gruppe, und was trägt dazu bei,
dass eine Gruppe nicht miteinander harmoniert? Was können wir aus
unseren vergangenen Missionen lernen? Meistens arbeite ich mit
Fragebögen, die am Ende zu den langen Zahlreihen führen. Psychologie
besteht nämlich zu einem sehr großen Teil aus Statistik! Auf den ersten
Blick wirkt das so, als würden wir die Komplexität des Menschen in ein
vorpilotiertes Raster einspeisen wollen, aber so ist das nicht! Die
Arbeit mit Fragebögen erlaubt uns, von einer großen Anzahl von Menschen,
Gedanken und Tendenzen zu erfassen und genau diesen im Training und in
der persönlichen Begegnung nachzuspüren.
Was mich an der Arbeit beim ÖWF so fasziniert ist, dass ich (nicht
nur in der statistischen Auswertung) ein Team erleben darf, das
übermäßig stark zusammenhält und kooperiert. Für mich als
Wissenschaftlerin stellt sich die Frage, was genau dazu führt. Für mich
als Mensch führt es dazu, dass ich mich in diesem Kollektiv sehr
aufgehoben und richtig am Platz fühle. Ich möchte die Erkenntnisse, die
mir meine Forschung schenkt aber nicht nur für die Arbeit in
Analogmissionen nutzen, sondern möglichst viele Menschen daran teilhaben
lassen, für die es eine Bereicherung darstellt lernen zu dürfen
mitfühlender und kooperierender miteinander umzugehen. Mitgefühl ist wichtig – egal ob auf dem Mars oder auf der Erde. In unseren Missionschats gibt es deshalb jetzt den #compassion.
dieser Artikel erschien auf: http://oewf.org/2016/09/kekse-korrelationen-und-ein-hashtag-namens-mitgefuehl/
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