Mittwoch, 28. September 2016

Kekse, Korrelationen und ein Hashtag namens "Mitgefühl"

Ich bin die mit dem Hashtag für Mitgefühl. Alex Hofmann, angehende Psychologin aus Köln. Mein Alltag beim ÖWF ist eine Korrelation aus Fenstermalfarben, Schokoladenkeksen und sehr langen Zahlenreihen. Vor allem die Zahlenreihen dominieren meinen Tagesablauf. Ich lasse sie miteinander in Balkendiagramme einfließen oder bastele aus Prozentangaben Persönlichkeitsprofile. Manchmal erleben meine Kollegen, wie ich vor meinem Laptop sitze und mich über einzelne Werte in einer monströsen Tabelle laut freue – und verstehen dann nicht so ganz warum eine Zahl wie 8,92 bedeutet, dass Astronauten Mitgefühl in der Kommunikation wertschätzen. Denn eigentlich geht es genau darum – komplexe Emotionen in einfach strukturierten Zahlenwerten auszudrücken – das kann so einige Erklärungsversuche erleichtern. Aber wie genau geht das? Und vor allem – warum?

Psychologie im Weltraum ist ziemlich wichtig: Astronauten leiden in Langzeitmissionen unter Isolation, sensorischer Deprivation oder unter kulturellen Differenzen in ihrer Gruppe. Außerdem ist es wichtig zu schauen, welcher Charaktertyp überhaupt für eine Reise zum Mars taugt und wie man eine Gruppe – egal ob Astronauten oder Mission Control – dafür trainiert. Das herauszufinden, das ist mein Job!

Eine meiner Aufgaben besteht darin ein Teamtraining zu entwickeln, das vor allem Kommunikationsfertigkeiten, aber auch Empathie für die anderen Menschen im Team schult. Gerade in der Kommunikation zwischen Mars und Erde findet man diesbezüglich einige Herausforderungen: Nachrichten von Planet zu Planet werden meistens über Chat übertragen – und bis eine Botschaft ankommt dauert es rund 10 Minuten. Dabei können viele Missverständnisse entstehen, wenn die Kommunikation nicht sachlich genug, aber auch nicht freundlich genug formuliert wird. Mitgefühl ist dabei eine Eigenschaft, die mir besonders wichtig ist. Wenn Menschen lernen mitfühlend in ihrer Arbeitsgruppe zu interagieren, sinkt das die Wahrscheinlichkeit für Konflikte und erhöht die Achtsamkeit in den Teams – das zeigt die Forschung. Gerade für uns beim ÖWF ist es wichtig, dass wir auch in stressigen Missionsphasen gut miteinander umgehen.

Darüber hinaus entwickele ich eine Studie, die genau diese Hypothesen, speziell in unseren Teams, überprüft. Welche Faktoren verbinden Menschen in einer Gruppe, und was trägt dazu bei, dass eine Gruppe nicht miteinander harmoniert? Was können wir aus unseren vergangenen Missionen lernen? Meistens arbeite ich mit Fragebögen, die am Ende zu den langen Zahlreihen führen. Psychologie besteht nämlich zu einem sehr großen Teil aus Statistik! Auf den ersten Blick wirkt das so, als würden wir die Komplexität des Menschen in ein vorpilotiertes Raster einspeisen wollen, aber so ist das nicht! Die Arbeit mit Fragebögen erlaubt uns, von einer großen Anzahl von Menschen, Gedanken und Tendenzen zu erfassen und genau diesen im Training und in der persönlichen Begegnung nachzuspüren.

Was mich an der Arbeit beim ÖWF so fasziniert ist, dass ich (nicht nur in der statistischen Auswertung) ein Team erleben darf, das übermäßig stark zusammenhält und kooperiert. Für mich als Wissenschaftlerin stellt sich die Frage, was genau dazu führt. Für mich als Mensch führt es dazu, dass ich mich in diesem Kollektiv sehr aufgehoben und richtig am Platz fühle. Ich möchte die Erkenntnisse, die mir meine Forschung schenkt aber nicht nur für die Arbeit in Analogmissionen nutzen, sondern möglichst viele Menschen daran teilhaben lassen, für die es eine Bereicherung darstellt lernen zu dürfen mitfühlender und kooperierender miteinander umzugehen. Mitgefühl ist wichtig – egal ob auf dem Mars oder auf der Erde. In unseren Missionschats gibt es deshalb jetzt den #compassion.

dieser Artikel erschien auf: http://oewf.org/2016/09/kekse-korrelationen-und-ein-hashtag-namens-mitgefuehl/

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