Sonntag, 19. Oktober 2014
Sonntag, 12. Oktober 2014
un-group//re-group
Ein psychologisches Tanzexperiment aus der
Contact-Improvisation
„So und
nun gibt es auf dieser Tanzfläche keine Duos mehr!“
Die Gesichtsausdrücke
im Kreis der Tänzer könnten nach dieser Aufforderung nicht unterschiedlicher
sein. Verwirrt, freudig oder unschlüssig.
Jeder
der einmal da war kennt es - eine Contact-Improvisations-Jam
besteht zu 90% aus Duetten, manchmal auch experimentellen Gruppentänzen oder freiheitsliebenden
Soloeinlagen, aber Trios und Quartette bilden auf dem zeitgenössischen Tanzboden
eine Minderheit. Auch, wenn die Tanzrichtung durch ihre freien Bewegungsmuster
und undefinierten Positionen durchaus dazu einlädt.
Aber, was
so simpel klingt bedeutet im Hinblick auf die Geschichte des Tanzes in mancher
Hinsicht einen Stilbruch.
Denn –
wir haben meistens zu zwei getanzt (in der heutigen Zeit auch viel alleine,
oder auch in Gruppen). Trotzdem: wenn wir uns den Tanz als solchen anschauen,
begegnen uns immer zwei Parameter: Du und ich, die aktiven Tänzer und das
Publikum, die Gruppe mit ihren eingespielten Mustern gegenüber den Menschen,
die diesen nicht folgen können.
Tanz
dient als Ausdruck für sich selbst und gegenüber der Welt, als Bindungshilfe
für Gruppen und als Plattform für Zweisamkeit. Der „Pas de deux“ im Ballett stellt
sogar den Höhepunkts des Tanzes dar. Quasi, eine Ode an das Duett.
Und nun
sollen wir diese Dualität brechen, aus einem bekannten Terrain in eine Gruppe
mit drei gleichförmigen Menschen
wechseln, und zuschauen, wie wir uns ohne gegebene Regeln neu koordinieren und
vor allem – neu definieren.
Ich sitze
also am Rande einer Tanzfläche, die sich in den ersten Minuten dieses knapp
zweistündigen Experiments erst einmal neu finden muss. Leise schleiche ich mich
dazu, bewege mich über eine Landschaft aus Körpern durch den Raum, die alle
miteinander, aber noch ohneeinander ihren Platz in dieser neuen Wirklichkeit suchen.
Auch
wenn schon bald die ersten Gruppen aus drei bis vier Tänzern zueinanderfinden,
eine Form der Dualität bleibt dennoch bestehen: es gibt diejenigen, die
Tanzangebote machen und andere, die sie annehmen. Eine Art und Weise der
Annahme, die ich sehr oft entdecken kann besteht in der Wiederholung. Wie eine
Hand, die einem entgegengestreckt wird fasst das Gegenüber eine kurze
Bewegungssequenz auf, imitiert oder neuinterpretiert sie als eine Eintrittskarte
in die Gruppensituation. Im Hinblick auf das übliche Duotanzen in der
Contact-Improvisation, ist diese neue Form des Zueinanderfindens spannend, denn
üblicherweise sind Tanzrollen schnell und einfach erklärt. Wer sich alleine auf
der Tanzfläche bewegt wird von einer anderen Person, die solo tanzt berührt,
woraufhin sich der Tanzpartner für oder gegen einen Tanz entscheiden kann.
Dieser Prozess ist verglichen mit einer Gruppensituation, die weder durch
Verlauf, noch durch Anzahl der Teilnehmer gekennzeichnet ist, überschaubar.
Der
zweite Aspekt, den ich in der Improvisation beobachten kann ist daher der
Nutzen von Geräuschen und Stimme. Hände, die rhythmisch auf den Boden
klopfen, Stimmen, die die gleichen Sprachsilben
rufen als Mittel der Zugehörigkeit innerhalb der Gruppe und als Abgrenzung
gegenüber anderen.
Wer
sich physisch doch in einer gewohnten Zweier-Konstellation wiederfindet,
berührt lapidar den Fuß oder die Hand eines Dritten, der in der Nähe ist oder
benutzt eben die Stimme und eine Verbindung zu erzeugen.
Das
unbekannte Terrain hat aber auch einen Vorteil: wo altes nicht funktionieren kann,
dürfen neue Ideen entstehen. Demnach erscheint mir das was hier geschieht
deutlich kreativer, verspielter und offener gegenüber unbekannten
Bewegungsimpulsen.
Die
Frage, die ich mir nun stelle ist: wo beginnt eigentlich ‚Gruppe‘? Beginnt sie,
in der Contact-Improvisation, durch den tatsächlichen physischen Kontakt oder
schon vorweg durch eine mentale Zugehörigkeit, die Menschen zueinander
wahrnehmen? Wie definieren wir sie: durch Blicke oder Geräusche, oder reicht
auch schon die persönliche Empfindung darüber, was Gruppe bedeutet?
Das
Fazit derer, die teilgenommen haben, lautet vor allem so: die neue Situation fördert
einen konzentrierteren Umgang, eine höhere Intensität und Kreativität und
letztlich auch das, womit wohl keiner gerechnet hätte: ein starkes Gefühl der
Verbundenheit.
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